Jüdisches |
Jüdisches
Leben in München gestern und heute Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts siedelten
sich Juden wieder in München an, deren Stellung in der Gesellschaft
sich unter dem Einfluss der "Judenemanzipation" nach der Französischen
Revolution aber nur sehr langsam verbesserte. 1816 erhielt die Gemeinde
die Erlaubnis zur Anlage eines Friedhofs. 1824 wurde die Jüdische
Gemeinde unter Androhung von Geld- und Arreststrafen zum Bau einer Synagoge
am damaligen Stadtrand, der heutigen Westenriederstraße 7, gezwungen.
Diese beeindruckende, nach den Plänen von Albert Schmidt an der Herzog-Max-Straße errichtete Hauptsynagoge konnte am 16. September 1887 eingeweiht werden und war zu diesem Zeitpunkt die drittgrößte Synagoge Deutschlands in unmittelbarer Nähe zur Frauenkirche im Zentrum Münchens gelegen. Insbesondere das Bewußtsein, sich nicht mehr versteckt hinter unscheinbaren Fassaden oder in der Vorstadt versammeln zu müssen, sondern nunmehr über ein ansehnliches Gotteshaus an einem zentralen Ort der Innenstadt zu verfügen, das anderen Sakralbauten in München in nichts nachstand, erfüllte die jüdische Gemeinschaft mit Stolz. Dieser Ort dokumentierte gleichzeitig die religiöse Akzeptanz und die Bedeutung der Juden im gesellschaftlichen und politischen Leben Münchens. Die Zeit der Integration schien angebrochen. Durch die starke Zuwanderung aus dem Osten, wo durch Pogrome
ein Verbleib unmöglich wurde, stieg die Zahl der jüdischen Bevölkerung
Münchens nach der Jahrhundertwende rapide an, so daß im Jahr
1910 unter den ca. 590.000 Einwohnern der Stadt 11.083 dem jüdischen
Glauben angehörten (knapp 2% der Gesamtbevölkerung). Eine große
Zahl jüdischer Künstler, Dichter, Schriftsteller, Wissenschaftler,
Kaufleute und Politiker bereicherte das kulturelle Leben und trug entscheidend
zum Ruf der Landeshauptstadt München bei. Doch bereits in den zwanziger Jahren wurde das Leben für die Juden schwieriger. Die Spannungen nahmen zu, es kam zu rücksichtslosen Ausweisungen polnischstämmiger Juden. Die Trupps der SA organisierten erste Übergriffe gegen jüdische Geschäfte und Personen. Dann kam der Januar 1933 und die Politik der staatlich verordneten Diskriminierung und der Pogrome begann. In ihrer Festschrift zum 50jährigen Bestehen der Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße am 5. September 1937 sah sich die Israelitische Kultusgemeinde zu den Worten veranlaßt: "Die 50. Wiederkehr dieses Tages festlich zu begehen, ist heute nicht die Zeit". Kaum ein Jahr später wurde das große Symbol der Präsenz der Juden in München beseitigt ein öffentliches Signal der Radikalisierung der antijüdischen Politik. Adolf Hitler persönlich gab den Befehl, die Hauptsynagoge abzubrechen, wobei die Kosten für den Abriss des Gebäudes der Jüdischen Gemeinde zur Zahlung auferlegt wurden. Am Morgen des 9. Juni 1938 begann die Zerstörung der Synagoge, die nach Auffassung der Nationalsozialisten vor allem dem Ziel diente, München von einem "Schandfleck" zu befreien. Die Synagogen in der Herzog-Rudolf-Straße und in der Reichenbachstraße fielen den SA-Schergen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, der sogenannten "Reichskristallnacht" zum Opfer. Von diesem Zeitpunkt an fehlten im Adressbuch Münchens sämtliche Synagogen und Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde. Auf dem Papier hatten die Juden Münchens zu diesem Zeitpunkt bereits aufgehört zu existieren. Es folgten Jahre der Diffamierung, der Vertreibung, der Deportation, der Vernichtung. Die amerikanischen Befreier fanden am 30. April 1945 lediglich 84 überlebende Juden in München vor. Doch das jüdische Leben kehrte nach Deutschland zurück.
Bereits im März 1946 zählte die Jüdische Gemeinde Münchens
wieder ca. 2.800 Mitglieder. München wurde für Juden wieder zur Heimat. Die am 19. Juli 1945 neu gegründete Israelitische Kultusgemeinde konnte am 20. Mai 1947 die wiederhergestellte Synagoge in der Reichenbachstraße 27, bis zum 9. November 2006 die Hauptsynagoge, einweihen. Bis Ende der 80er Jahre hatte sich die Mitgliederzahl der Jüdischen Gemeinde auf ca. 4.000 eingependelt. Während der 90er Jahre ist die Zahl ihrer Mitglieder insbesondere durch die starke Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion auf über 9.000 gestiegen und die Kultusgemeinde wächst weiter. Zur ihr gehören drei Synagogen, eine Betstube, zwei rituelle Tauchbäder, zwei Friedhöfe, eine Grundschule, eine Kindertagesstätte, ein Jugend- und Kulturzentrum, ein koscheres Restaurant, eine koschere Metzgerei und weitere Einrichtungen meist sozialer Natur. Die meisten Veranstaltungen der Gemeinde fanden in unzureichenden Gebäuden und beengten Räumlichkeiten statt, und selbst die damalige Hauptsynagoge in der Reichenbachstraße befand sich im Rückgebäude des Anwesens, in dem auch die Hauptverwaltung der Israelitischen Kultusgemeinde ebenfalls in äußerst beengten Verhältnissen untergebracht war. Mit der Errichtung des neuen Jüdischen Zentrums und dem Beginn des Schul- und Kindergartenjahres 2007/2008 hat das jüdische Leben wieder einen zentralen und würdigen Platz in München. |
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